Selbst auferlegte Korsetts in der Führung und das Problem mit der Komfortzone

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich mich mit der German Angst und der Scheu heutiger Führungskräfte vor Entscheidungen und Verantwortung befasst. Die jüngsten Ergebnisse der Gallup-Umfrage bestätigen diese Probleme: Nur wenige Mitarbeitende sind wirklich zufrieden mit ihren Vorgesetzten, obwohl diese in unsicheren Zeiten eigentlich das Rückgrat des Teams sein sollten. Es ist höchste Zeit, dass wir uns als Führungskräfte diesen Themen stellen und unsere eigenen Barrieren überwinden und unsere Komfortzone verlassen. Denn nur wenn wir die verschiedenen (oft selbst auferlegten) Korsetts, die uns einschnüren, erkennen und lösen, können wir den Weg zu einer erfüllten und produktiven Arbeitsumgebung ebnen.

Die Komfortzone verlassen – warum denn?

„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.“ Diesen Spruch haben Sie sicher schon mal irgendwo gehört. Und es stimmt: Die vertraute Umgebung – also unsere Komfortzone – würden wir Deutschen wahrscheinlich nie aus freien Stücken verlassen, ist sie doch so vertraut und bequem. Ein Ort frei von Zwängen und Anforderungen, Herausforderungen und Anspannung. Doch folgende Zahlen der Gallup-Studie sollten einen wachrüttelnden Effekt auf alle Führungskräfte haben und sie aus ihrer Lethargie erwachen lassen:

  • Nur 25 % der Mitarbeitenden sind sehr zufrieden mit dem oder der direkten Vorgesetzten
  • 38 % sehen Nachholbedarf in der Führungsetage
  • Und explizit sagen nur 30 % der Angestellten, dass ihre Führungskraft immer erreichbar ist und sich ausreichend Zeit nimmt

Das sind erschreckende Zahlen, bei denen jede Führungskraft den Drang verspüren sollte, mal im eigenen Team nachzuhorchen. Liegt diese Entwicklung in den aktuellen Herausforderungen begründet, oder ist dies ein beständiges Muster, das lediglich in Intensität variiert? Und wenn uns diese Ergebnisse doch bekannt sind, warum werden viele Führungskräfte dann immer noch nicht aktiv und versuchen die Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden zu steigern?

Welches Korsett darf es heute sein?

Unternehmen sehen sich aktuell mit zwei zentralen, großen Aufgaben konfrontiert: Der Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Flexibilität des Unternehmens in Bezug auf Neuausrichtungen, um mit dem Wandel und der Unsicherheit der heutigen Wirtschaft Schritt zu halten, und auf der anderen Seite der Stärkung der Mitarbeitendenbindung und Arbeitgeberattraktivität, um gegen den Fachkräftemangel anzukommen. Da würde man davon ausgehen, dass alles in unserer Macht Stehende dafür getan wird, diese Herausforderungen zu meistern, richtig? Aber: Zahlreiche selbst auferlegte Korsetts werden als Vorwand oder Ausrede genommen, um weiterhin im Nichtstun zu verharren. Dank dieses Korsetts ziehen zahlreiche Führungskräfte sich aus der Verantwortung. Ein wie ich finde passendes Bild ist: nach außen hin mögen Korsetts den Eindruck einer guten Figur und Stabilität vermitteln. In Wirklichkeit nehmen sie dem Unternehmen jedoch die Beweglichkeit, regelrecht die Luft zum Atmen und verhindern kreatives Denken.

Das Korsett der Komfortzone

Eines dieser selbstauferlegten Korsetts ist das der Komfortzone. Wie eingangs bereits erwähnt, ist der Mensch ein Gewohnheitstier und ruht sich gern in vertrauter und sicherer Umgebung aus. Das Verlassen der Komfortzone klingt beängstigend und erfordert Mut. Außerdem müsste man aktiv etwas dafür tun, um aus der Komfortzone auszubrechen. Da klingen Vertrautheit und Verharren doch angenehmer als der Gedanke an Anstrengung und mögliche Konsequenzen. Oder nicht? Meine Frage an Sie: Wo bleibt da unser Mut? Denn während wir uns in unserem gewohnten Umfeld sicher fühlen, stagnieren wir gleichzeitig in unserem persönlichen und beruflichen Wachstum – und behindern damit auch die Performance des Unternehmens. 

Die Paradoxie des Wollens und des Handelns

Schauen wir uns um, so sehen wir, dass viele Unternehmen zwar bestrebt sind, innovativ und modern zu sein, doch wenn es darum geht, die Komfortzone der Führung zu verlassen, zögern sie oft. Das Verlassen der Komfortzone erfordert Mut, Engagement und Risikobereitschaft – Eigenschaften, die nicht jeder aufbringen kann oder will. Warum bleiben wir also in unserer Komfortzone stecken, auch wenn wir wissen, dass Veränderung notwendig ist? Die Gründe dafür sind vielfältig: Einige fürchten das Scheitern, andere möchten keine Verantwortung übernehmen. Manche haben Angst vor Konfrontationen oder es fehlt schlichtweg an Selbstvertrauen. Das Bedürfnis nach Sicherheit und das Fehlen von Unterstützung oder Vorbildern können ebenfalls dazu führen, dass wir uns lieber in unserer Komfortzone einrichten, anstatt uns dem Unbekannten zu stellen.

Und so verharren wir, trotz unserer besten Absichten, in unserem gewohnten Trott. Auch als Führungskräfte und Unternehmer sind wir nicht immun gegen die Lockrufe unserer Komfortzone. Wenn wir vor der Wahl stehen, eine mutige Entscheidung zu treffen oder in unseren gewohnten Bahnen zu bleiben, neigen wir dazu, Letzteres zu wählen. Es ist menschlich, es ist vertraut, es ist sicher. Doch es ist auch ein Hindernis für Innovation und Fortschritt.

Der Weg aus der Komfortzone

Deshalb mein Appell an Sie: Raus aus der Komfortzone, und zwar jetzt! Um wirklich voranzukommen, müssen wir uns unseren Ängsten stellen und unsere Komfortzone verlassen. Das bedeutet nicht, dass wir kopflos ins Ungewisse springen sollen, sondern vielmehr, dass wir bewusst und mutig handeln. Wir müssen den inneren Schweinehund überwinden und uns aktiv für Veränderungen einsetzen. Das bedeutet auch, dass Unternehmen ihre Führungskräfte ermutigen müssen, neue Wege zu gehen und alte Denkmuster zu hinterfragen. Es erfordert ein Umdenken und eine Kultur der Offenheit und Innovation. Denn nur so können wir die Herausforderungen unserer Zeit meistern und uns zu einer agilen und resilienten Organisation entwickeln. Seien Sie mutig und verlassen Ihre Komfortzone!!

In seinem Buch "Mit neuem Mut gegen German Angst - Ein Plädoyer für engagiertes Leadership" zeigt Autor Jochen Blöcher auf, wie wir an der Wurzel ansetzen können, um diese Transformation zu erreichen. Von der Erziehung und Bildung über den offenen Dialog bis hin zur Förderung von Solidarität und gesellschaftlichem Engagement bietet Blöcher einen Fahrplan, der uns dazu ermutigt, aktiv zu werden und Veränderungen herbeizuführen. Es ist an der Zeit, dass Führungskräfte und UnternehmerInnen eine neue Rolle als mutige Vorbilder einnehmen und gemeinsam an einer Zukunft arbeiten, die von Zuversicht und Fortschritt geprägt ist. Wir sollten diese Gelegenheit ergreifen und gemeinsam die German Angst überwinden!